2014: Doppelt so viele Tote in Syrien und im Irak; Christen weiterhin die am meisten gefährdete Volksgruppe

Laut offiziellen Statistiken sind im vergangenen Jahr 76.000 Menschen in Syrien und 15.000 im Irak ums Leben gekommen. Inoffizielle Zahlen sind weitaus höher. Der Ständige Beobachter des Heiligen Stuhls bei der UNO: „Gewalt kann kein Land aufbauen“.

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amigosirak27Das eben zu Ende gegangene Jahr 2014 war in Syrien und im Irak von Drama und Brutalität gekennzeichnet. In diesen beiden Ländern haben durch die andauernden Konflikte mehr als 90.000 Menschen ihr Leben verloren, mehr als doppelt so viele wie 2013. Diese Zahlen wurden gestern von der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sowie von der irakischen Regierung bekanntgegeben und werden hier zitiert von der Nachrichtenagentur AsiaNews.

In Syrien hat der Bürgerkrieg in den letzten 12 Monaten 76.021 Menschen das Leben gekostet, mindestens die Hälfte von ihnen waren Zivile. Zum Vergleich: 2013 wurden 33.278 Bürger Opfer der Kriegshandlungen, also eine Verdopplung. Im August 2014 ergab die Hochrechnung der UNO, dass seit Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2011 über 191.000 Menschenleben zu beklagen seien. Insider halten diese Zahl bei weitem für zu gering.

In Bagdad haben das irakische Innenministerium, das Gesundheits- und Verkehrsministerium angegeben, dass 2014 mindestens 15.538 Menschen ermordet wurden. Auch in diesem Land stieg die Zahl der Todesopfer gegenüber 2013 (6.522 Tote) dramatisch an.

In beiden Ländern sind es Christen, die zwischen den Fronten am meisten zerrieben werden. Ihre Namen füllen nicht nur die Listen der ermordeten Bewohner, sondern zehntausende von ihnen wurden vom Islamischen Staat systematisch aus ihren Häusern vertrieben und leben nun als Flüchtlinge.

Aktivisten in beiden Ländern halten die tatsächlichen Opferzahlen sehr wahrscheinlich für viel höher. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass aus den vom Islamischen Staat besetzten Gebieten überprüfbare Daten fehlen.

Tomasi: “Waffengeschäfte und private Machenschaften gefährden den Frieden”

Der Ständige Vertreter des Heiligen Stuhls beim Büro der Vereinten Nationen in Genf, Erzbischof Silvano Maria Tomasi unterstreicht, dass “mit Gewalt kein Staat zu bauen ist. Niemals kann man mit der Waffe in der Hand einen Konflikt beenden“. Tomasi zieht gegenüber Radio Vatikan eine Bilanz über internationale Krisenherde, die vom UNO-Komitee für Menschenrechte überwacht werden. An erster Stelle kommen Syrien, der Irak und die Zentralafrikanische Republik zur Sprache.

“In der internationalen Arbeit, die in Genf geleistet wird, wo sich internationale Büros mit den praktischen Fragen befasst, die das tägliche Leben der betroffenen Menschen ausmachen, stand der Nahe Osten an erster Stelle: Entwicklung, religiöse Freiheit, zwischenstaatliche Beziehungen, insbesondere Migrationsbewegungen, und die Bemühung, ein Wirtschaftssystem aufzubauen, das die menschliche Person im Blickfeld hat“, so Tomasi.

“Für den Nahen Osten gab es spezielle Sitzungen vom Rat für Menschenrechte über den Irak und Syrien, aber unsere Besorgnis erstreckt sich auch auf Afrika, mit einer Sondersitzung über die Zentralafrikanische Republik. Was unseren Bemühungen zugrundeliegt, einen Weg zu einem dauerhaften Frieden zu führen, ist der Wunsch, weitere Menschen vor Ermordung zu schützen und die knappen Ressourcen nicht in sinnlose und schädliche Kriege zu verpuffen, sondern diese positiven Kräfte zum Aufbau der Lebensgrundlagen zu nützen“.

Der vatikanische Prälat unterstreicht, dass man “im Nahen Osten muss dringend einen Waffenstillstand erreichen muss, damit humanitäre Hilfe geleistet werden kann; darüber hinaus muss allen jenen die freie und würdige Ausübung ihrer menschlichen Grundrechte garantiert werden. Dazu haben wir hier Aktionen gesetzt, die durch die Präsenz von katholischen Patriarchen und Bischöfen verschiedener orthodoxer Gemeinden im Nahen Osten die öffentliche Meinung sensibilisieren. Sie geben direktes Zeugnis der Situation vor Ort und können am ehesten Vorschläge bringen, die zu konstruktiven und gerechten Lösungen führen“.

Auf die Frage, ob er zu diesen Themen für 2015 Hoffnung sieht, antwortete Monsignor Tomasi: “Als Christen sind wir zum Optimismus verpflichtet, im Bewusstsein, dass Gott in seiner Vorsehung die Geschichte lenkt. Was hier aber deutlich fehlt, ist der politische Wille, dass die Strukturen der Gewalt beendet werden müssen, die man in vielen Konflikten so deutlich sieht, ganz besonders im Nahen Osten. Gewalt kann keine konstruktiven Lösungen schaffen. Wir müssen die Mentalität derjenigen überwinden, die meinen, nur ein bewaffneter Konflikt könne Probleme und Meinungsverschiedenheiten lösen. Es gibt andere Mittel: man muss Vertrauen aufbauen, die zerstrittenen Seiten anhören und vernünftige Kompromisse erarbeiten, die ein Zusammenleben vom Menschen verschiedener Glaubensbekenntnisse und politischer Zugehörigkeiten ermöglichen, ohne sich gegenseitig Böses anzutun, im Gegenteil: indem man Kräfte bündelt, die dem Gemeinwohl dienen. Mir scheint, dass darin unser Ziel für das kommende Jahr liegt, und dass es nur zu erreichen ist, wenn wir den Waffenhandel und verschiedene Individualinteressen klar auf eine untergeordnete Ebene stellen. An erster Stelle müssen die Grundanliegen der Menschen und ihre gerechtfertigten Wünsche stehen”.

“Der Heilige Stuhl versucht, im Internationalen Geschehen so etwas wie die Stimme des Gewissens zu sein. Wir sind weder eine wirtschaftliche noch eine militärische Macht: unsere Schweizer Garden mit ihren mittelalterlichen Lanzen stehen modernen Waffen völlig hilflos gegenüber. Die päpstliche diplomatische Mission ist daher dazu da, Gewissensfragen aufzuwerfen und daran zu erinnern, dass die wichtigsten Werte für die gemeinsame Zukunft der Menschheitsfamilie der Frieden sind, der gegenseitige Respekt, und die Solidarität mit den Bedürftigen“.

 

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