Nach dem internen Weiterbildungskongress in Ägypten fuhr ich wie geplant am 16. Mai von Kairo nach Spanien.
Zuerst nahm ich in Madrid am Kongress über verfolgte Christen teil. Ich konnte zwei Vorträge halten und zwei chaldäische Bischöfe aus dem Irak treffen: Mons. Yusuf Toma aus Kirkuk und Mons. Bashar Warda aus Arbil. Wir kennen uns aus dem Irak, hatten aber selten Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch.
Daneben durfte ich Menschen kennenlernen, die aktiv und engagiert an den Geschehnissen in Ländern, in denen heute Christen verfolgt werden, teilnehmen. Sie erleben ähnliche Situationen wie die, die wir mit unseren Lesern und “Freunden des Irak” zu teilen versuchen, die mir bis dahin aber nur aus den Medien bekannt waren. Ich habe es als grosse Gnade empfunden, solchen Menschen zu begegnen und ihre Zeugnisse aus erster Hand zu hören. Dazu gehörten:
– Mons. Ignatius Joseph III Younan, Patriarch von Antiochien und Bischof von Beirut
– Mons. Doeme, Bischof von Mendigori, Nigeria
– Mons. Joseph Danlami Bagobiri, Bischof von Kafanchan, Nigeria
– Mons. Angelos Anba, Bischof der Koptisch orthodoxen Kirche
– Die protestantischen Pastoren Michael aus Ägypten und Edwar Awabdeh aus Syrien
– Der Gatte und eine Tochter von Asia Bibi, der pakistanischen Christin, Ehefrau und Mutter, die aufgrund des ungerechten Blasphemiegesetzes zum Tode verurteilt ist.
– Die Eltern von Kayla Müller, der jungen US-Amerikanerin, die als Freiwillige in der Türkei und Syrien gearbeitet hat, von Terroristen entführt und umgebracht wurde.
– Mireille al Farah, eine junge Syrerin, die in Spanien lebt
– Joseph Fadelle, den irakischen Autor, der vom Islam zum Christentum konvertierte, auf dem immer noche in Fatwa-Todesurteil liegt und der das Buch “Das Todesurteil” verfasst hat.
Nach dem Kongress bin ich nach El Pueyo de Barbastro weitergefahren, wo ich meine ignatianischen Exerzitien gemacht habe. Mönche unseres Institutes führen dort ein Kloster.
Die Stille dort lädt zum Beten ein und der Ort selbst birgt grossen spirituellen Reichtum. Der Geschichte nach ist es nämlich die Gottesmutter Maria selbst, die sich diesen Platz erwählt hat. Sie erschien im Jahr 1101 einem Hirten namens Balandrán, den wir heute als Heiligen im Himmel verehren. Als er einmal auf dem Gipfel des Berges war, sah er Strahlen aus den Zweigen eines blühenden Mandelbaumes hervorkommen. Es war die Jungfrau Maria, die ihm eine Botschaft überbrachte: “hier an dieser Stelle sollte man ihr zu Ehren eine Kapelle bauen”. Die Kapelle wurde errichtet, und später zu dem Marienwallfahrtsort im gotischen Stil erweitert, den wir heute bewundern können. Im Jahr 1880 kamen Benediktiner von Montserrat und Treviño und bauten noch ein Kloster, damit das Gebet der Menschen Tag und Nacht von diesem Ort zum Himmel aufsteigen konnte.
Genau diese Benediktinermönche sollten eines Tages zu heroischen Märtyrern dieses Ordens werden: Im Jahr 1936 wurde die gesamte Gemeinschaft von Anarchisten ermordet, die den Namen Gottes in Spanien ausrotten wollten.
Aber nicht nur die Mönche aus Pueyo empfingen die verdiente Märtyrerkrone derer, die ihr Leben für Christus hingeben: das ganze Klaretinerseminar fiel der blinden zerstörerischen Wut zum Opfer, die Piaristenbrüder, der Bischof, viele Diözesanpriester und sogar Laien. Barbastro wurde zur Diözese mit den meisten Märtyrern im Vergleich zu ihrer Grösse. In weniger als drei Monaten wurden 90 % des Klerus ermordet.
Wie immer in der Kirchengeschichte so versuchte Satan auch hier zu zerstören und erreichte das Gegenteil: dass nämlich die Güte und die Stärke Gottes in seinen Märtyrern ganz besonders zum Leuchten kam. Unter anderem begann mit diesem sinnlosen Morden die Verbindung unseres Institutes mit Barbastro und El Pueyo. Als unser Gründer, Pater Carlos Buela, von den Märtyrern im Klaretiner-Seminar in Barbastro erfuhr, ernannte er sie zu Patronen unseres argentinischen Priesterseminars. Jahre später hat uns der Bischof von Barbastro das Kloster von El Pueyo angeboten, das von Klaretinern verwaltet wurde, ihnen aber zur Last geworden war. So kam es, dass wir plötzlich zu Bewahrern von Reliquien wurden und im Haus von Menschen wohnen konnten, die für würdig befunden waren, ihr Blut für Christus zu geben. Papst Franziskus liess sie am 13. Oktober 2013 in Tarragona seligsprechen, gemeinsam mit 504 weiteren spanischen Märtyrern. Die Seminaristen sind jetzt die Patrone des Mönchszweiges unseres Institutes.
Dort also sollte ich meine Besinnungstage machen! Im Schatten dieser wunderbaren Märtyrer!
Eines nachts, während die Mönche schliefen, ging ich in die Kirche und machte meine Betrachtung bei den sterblichen Überresten dieser Menschen, die mittlerweile unsterblich sind. Ihre Knochen ruhen im Hauptaltar der Wallfahrtskirche und warten auf die Auferstehung der Toten. Sie werden in der neuen Welt gemeinsam mit Christus für immer herrschen!
In einem der Schädel erkennt man ganz deutlich das Schussloch des Gnadenschusses, den dieser Mönch erhalten hatte. “Gnadenschuss” – ein wirklich passender Ausdruck in diesem Fall!
Es war eine Gnade, die ihm die Himmelstür geöffnet hatte!
Wie leicht war es, an diesem Ort innig für unsere verfolgten Christen zu beten. Es kamen mir die Worte des Heiligen Paulus in den Sinn: “Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll” (Röm 8, 18).
Gott segne euch!
P. Luis Montes VE