Als Kind in Argentinien hörte ich oft Geschichten von Bäumen. Der und der Baum war von einem alten Mann gepflanzt worden, der aus Italien eingewandert war, der da drüben wiederum von einem Spanier, der schon verstorben war, jahrelang hatte er sich um den Baum gekümmert.
Diese Einwanderer waren Leute, die an das Leben glaubten. Mit viel persönlicher Einschränkung hatten sie ein Leben aufgebaut, eine Familie gegründet, ein Haus gebaut, ihre Kinder zu anständigen Menschen erzogen, Bäume und Sträucher gepflanzt und sich um ihr Wachstum gekümmert. So kam es, dass ein ganzes Land aufgebaut wurde. Diese Geschichten von den alten Bäumen beeindruckten uns, denn in den meisten Fällen hatte der, der gepflanzt, begossen und beschützt hatte, selber nichts von dem Baum. Diese Leute taten uns eigentlich leid: sie hatten sich so bemüht und die Frucht ihrer Arbeit genossen nun anderer.
Mit der Zeit wurde uns klar, dass dieser Schluss nur teilweise korrekt war. Natürlich erlebten viele dieser Pioniere den früchtetragenden Baum nicht mehr. Es schien, als wäre ihnen das egal. Sie rechneten nicht einmal nach, wieviel sie persönlich von dieser Arbeit hatten. Das waren Menschen, die verstanden, dass Hingabe an sich wertvoll ist; dass es jemanden zutiefst beglückt, sich für andere zu verschenken. Dass war ihr „Genuss“, ihre Freude, ihr Glück: etwas zu schaffen, das der nächsten Generation zugute kam. Sie fühlten, sie waren auf der Welt, um sich einen Platz im Himmel zu schaffen. Und das bisschen Glück hier genügte ihnen als Vorgeschmack auf das, was dann auf ewig kommen sollte.
Der Berechnende kann schwer glücklich werden. Wer zuviel an sich selbst denkt, vergeudet seine Zeit mit Dingen, die keinen Wert haben. Wer sich nicht verschenkt, der bekommt auch nichts. Der Egoist bleibt ein Unglücklicher im vollen Sinn des Wortes.
Vor einigen Tagen hatten wir in unsere Kirche zwei Taufen: ein kleines Kind philippinischer Gastarbeiter im Irak, und ein Baby aus Bagdad. Inmitten willkürlicher und blinder Zerstörung rund um uns konnten wir etwas aufbauen. Inmitten des Todes, der sich um uns ausbreitet, vermochten wir Leben zu bringen!
Der Augenblick dieser beiden Taufen waren wunderbar. Ein Menschenkind wird für das göttliche, ewige Leben neu geboren, es wird Kind Gottes, Bruder oder Schwester Jesu Christi, Kind der Muttergottes, Erbe des Himmels!
Wir wissen nicht, was aus diesen Kindern werden wird. Welche Wege sie einschlagen und welche Frucht der göttliche Same in ihnen bringen wird. Sehr wahrscheinlich werden wir die Früchte nicht sehen, die der Baum tragen wird, der im Moment der Taufe gepflanzt wurde.
Wenn sie treu bleiben, werden sie „Früchte ewigen Lebens“ bringen. Und wir werden sie wiedersehen, wenn Gott sie eines Tages zu sich ruft
Jetzt erscheinen mir auch diese argentinischen Immigranten im neuen Licht, die aufbauten und pflanzten, weil sie das Leben liebten. Die sich verausgabten, weil sie Liebe zu Gott und zum Nächsten in sich spürten.
Die vorliegenden Zeilen sollen eine Art „Denkmal“ für diese Menschen darstellen. Sie lehren uns etwas Tiefes und Wesentliches. Und sie leiten uns vom Himmel aus und warten dort auf uns.
P. Luis Montes, IVE